Religionskritik

Religionskritik
Religionskritik,
 
die kritische Auseinandersetzung mit den Grundlagen und zentralen Aussagen der Religionen, ihrem Wahrheitsanspruch und ihrer postulierten und tatsächlichen Rolle innerhalb der Gesellschaft. Als innerhalb einer Religion auftretende, theologisch begründete Religionskritik, die Anstoß an Erscheinungen der eigenen Religion nimmt, die in ihrer Sicht Fehlentwicklungen darstellen, gab die Religionskritik oft die entscheidenden Anstöße zu Reformbewegungen und/oder führte zu neuen religiösen Gemeinschaftsbildungen. Beispiele dafür sind die Kritik der alttestamentlichen Propheten an der israelitischen Religion, die Kritik Buddhas am Hinduismus, Jesu an Strömungen des Judentums seiner Zeit und der Reformatoren an der zeitgenössischen Kirche. Ansätze zu einer Religionskritik, die mit Bezug auf das jeweils verfügbare Wissen (z. B. philosophische, historische, psychologische, soziologische Erwägungen) die eigene Tradition oder fremde Religionen einer partiellen (z. B. im Hinblick auf ihre Ethik oder Praxis) oder grundlegenden Kritik unterzieht, gehen zurück auf die philosophische Kritik am Mythos in der Antike seit dem 5. Jahrhundert v. Chr., ganz radikal bei den Sophisten und einem Teil der Poeten (Aristophanes); daneben führte das wachsende historische Wissen zu einem kritischen Vergleich religiöser Auffassungen (Xenophanes). Seit der europäischen Aufklärung trat die Religionskritik - die überwiegend philosophisch begründete Religionskritik war - v. a. als Kritik am Christentum auf. Dabei richtete sich die Kritik der Aufklärer zunächst auf wichtige Einzelphänomene (Gottes- und Offenbarungsbegriff, heteronome Ethik), wurde jedoch seit dem 19. Jahrhundert grundsätzlich betrieben und bildete ein Instrument zur Begründung des Atheismus. A. Comte verstand Religion als überwundenes oder zu überwindendes Stadium der Menschheitsgeschichte, L. Feuerbach als Projektion menschlicher Sehnsüchte (»Theologie (ist) Anthropologie«) und Gott als das »vergegenständlichte Wesen des Menschen«, bei K. Marx tritt Religionskritik als Funktion der ökonomischen Unrechtbedingungen (»Opium des Volkes«) auf. F. Nietzsche erklärte den »Tod Gottes« aufgrund der gewonnenen Autonomie des Menschen, S. Freud interpretierte Religion als Illusion und infantile Sehnsucht nach einem allmächtigen Vater. In Religionswissenschaft und Theologie hat die (kritische) Auseinandersetzung mit der Religionskritik zu einem differenzierteren Verständnis von Religion geführt.
 
 
H.-J. Kraus: Theolog. R. (1982);
 
R. von der Aufklärung bis zur Gegenwart, hg. v. K.-H. Weger (41988);
 H. Zirker: R. (31995).
 
Weitere Literatur: Atheismus.
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Voltaire: Fanatismus und Toleranz - Religionskritik in Frankreich
 

Universal-Lexikon. 2012.

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